Andreas Pils · Antisemitismus · Hagen Westfalen

HAGEN VII : Heinrich Vetter, Siegfried Lademacher und die „Bewegung Reich“

Die HIAG war nicht die einzige Organisation alter Nationalsozialisten im neuen Deutschland, die aus den Koffern der Andreas Brauerei finanziert wurde. HEINRICH VETTER hatte nur kurze Zeit nach seiner Entlassung aus dem Internierungslager seine politischen Aktivitäten wiederaufgenommen. Von seinem Eigenheim in der Hagener Eppenhauser Straße, nicht weit entfernt von Oskar Pahnkes Haus im Felsental, verbreitete er nationalsozialistische Propaganda mit den alten völkischen und antisemitischen Inhalten, so als ob nichts gewesen wäre, wie schon die Anklage in Vetters Entnazifizierungsprozess prophezeit hatte.  Waren es zunächst nur sporadische und unorganisierte Aktionen, so nahmen Vetters Bemühungen 1948/49 strukturiertere Formen an. Zusammen mit dem Breckerfelder Malermeister und Amateur-Heimatkundler Emil Kritzler, und anderen lokalen Alt-Nazis, gründete er die “Bewegung Reich”, nicht ohne die finanzielle Beihilfe der Andreas Brauerei und eines weiteren,  nicht identifizierten, Gönners, der in der guten alten Zeit ein „Wehrwirtschaftsführer“ gewesen war. Auch mit dabei war SIEGFRIED LADEMACHER aus Hagen-Dahl, ein weiterer unverbesserlicher, der als Kassierer agierte und in dieser Funktion wahrscheinlich öfters Carl-Horst um neue Funde anbetteln musste. Lademacher ist noch bis heute als die Kontaktperson der “Truppenkameradschaft der Ehemaligen  der SS 16. Panzergrenadierdivision” gelistet, deren Geschicke er wohl  von seinem Heim in Dahl leitet, das übrigens auch als  HQ des lokalen Imkervereins im örtlichen Telefonbuch angegeben wird. Nicht erwähnt im offiziellen Titel des Veteranenvereins wird der Ehrentitel der 16. Panzergrenadierdivision “Reichsführer SS”, der erzählt, dass die Einheit als persönliches Regiment Heinrich Himmlers begann und eine kämpfende Division verantwortlich unter anderen für Massenmorde an circa 2000 Zivilisten in Italien  endete. Im Februar 1979 lud Siegfried Lademacher den international wohl bekanntesten Holocaustleugner David Irving  zu einem Vortrag über „Hitlers Weg zum Krieg“ ein, den er für das „Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes“ im folgenden April in Hagen halten sollte. Das „DKEG“ war eine rechtsextreme Organisation, die von 1950 bis 1996 bestand, sich der Pflege völkischen Kulturgute widmete und im Jahr 1965 circa 1500 Mitglieder hatte. Ob Lademacher neben seinen Aufgaben als Präsident des Imkervereins und der SS-Truppenkameradschaft auch DKEG Ortsvorsitzender von Hagen-Dahl war, ist nicht bekannt.

Im braunen Sumpf der unzähligen neo-nationalsozialistischen Kleinstgrüppchen und -parteien am Anfang der fünfziger Jahre konnte sich die “Bewegung Reich” trotz Andreas’ Geld nicht behaupten. Zu stark war die Konkurrenz solcher Organisationen wie die “Deutsche Reichspartei”(DRP) oder die “Sozialistische Reichspartei” (SRP), die bis zu ihren Verbot 1952 prominente Unterstützer wie  den ehemaligen Oberst der Wehrmacht Otto Ernst Remer oder den berühmten Kampfflieger Hans-Ulrich Rudel hatte.

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Ernst Otto Remer

Beide Parteien hatten recht erstaunliche Ergebnisse in Landtagswahlen in Niedersachsen und Bremen, wo sie danach mit mehreren Abgeordneten im Parlament vertreten waren. Im Vergleich dazu war die “Bewegung Reich” nur ein völlig unbedeutender Haufen lokaler Alt-Nazis, deren wirkliche Bedeutung in keinem Verhältnis zu ihrem Größenwahn stand. Die Aktivitäten de Gruppe schienen sich hauptsächlich auf das Verteilen von Flugblättern, auf antisemitische Schmierereien, Hakenkreuz -Graffiti und Stammtischreden beschränkt zu haben. Trotzdem stand sie  unter ständiger Überwachung alliierter und bundesdeutscher Nachrichtendienste. Angeblich soll Rudel mal kurzzeitig mit Vetters Trüppchen geflirtet haben, ließ sich aber dann doch lieber zum Spitzenkandidat der DRP küren. Wahrscheinlich war selbst er nicht von Vetters menschlichen und intellektuellen Qualitäten überzeugt, die schon im „Dritten Reich“ nicht ganz unumstritten waren. Im November 1952 war alles wieder vorbei, die Behörden schlugen zu, die “Bewegung Reich” wurde verboten, Vetter und sechs weitere Mitglieder wurden wegen „Geheimbündlerei“ verhaftet und ein paar Monate zu Gefängnisstrafen verurteilt. Der vormalige Oberbürgermeister von Hagen bekam zwei Jahre, verbrachte aber nur wieder wenige Wochen hinter Gittern und kam so zum zweiten Male mit einem blauen Auge davon.

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Shamokin News-Dispatch, Shamokin Pennsylvania, 5.Juni 1953

Das Bemerkenswerteste an dieser Geschichte ist wohl, dass der „Shamokin News-Dispatch“ aus Shamokin, Pennsylvania die Meldung von der Zerschlagung der minuskulen „Bewegung Reich“  auf Seite 3 seiner Ausgabe vom 5.Juni 1953 führte (Siehe unten) und so der Gruppe eine Bedeutung weit über ihrer wirklichen zumaß. Dass er es auf die vorderen Seiten lokaler Zeitungen im amerikanischen Hinterland brachte , muss ein beträchtlicher Trost für Vetters nicht unerhebliches Ego gewesen sein. Womit sich Carl-Horst Andreas für den Verlust seiner Investition getröstet hat, werden wir noch sehen.(Die tropischen Anzüge sind zu empfehlen, modisch, leicht, und ein Schnäppchen für nur $18.99)

Five Germans Jailed for Nazi-Activity.

The West-German government clapped five would be Hitlers in jail for terms ranging from 6 to 14 month on charges of attempting to revive Nazism. The five were convicted of forming a secret fascist society with headquarters in Hagen and branch offices scattered through towns through the Ruhr. Two others were acquitted.  German authorities said the Hitlerite sect was named „the Reich movement“ and was disguised under several other titles. Its membership, while small included a number of former Nazi party leaders. Its policies were violently anti-Semitic and anti-Catholic. The heaviest sentence, 14 months, was given to Emil Kritzler, 61, a former Nazi leader in Breckerfeld, near here. He was described as the head of the secret society. Others convicted and their sentences were: Heinrich Vetter, 62, deputy Gauleiter governor of South-Westphalia during Hitler’s regime and „political adviser“ to the „Reichs movement“, 11 months, Mathias Muench, 41, railway conductor, 9 months, Willy Paehlicke, 64, miner, and Siegfried Lademacher, 29, treasurer of the neo-fascist organisation, 6 months. Otto Bouke, 51, former Nazi mayor of Ludenscheid in the Ruhr and Ernst Langbehn, a salesman, were acquitted. West German police said while the organisation had only recruited only a small membership, it represented a potential danger to democracy in the West German republic. It had, they said, an ambitious program for building up an arsenal for use of its members. Vetter admitted at the trial that the group was responsible for distribution of pamphlets promising „the return of the Fuehrer“ The group also circulated violently anti-Semitic and anti-Catholic booklets. Several of those jailed previously had served time in Allied war crimes prisons. “ 

(Shamokin News-Dispatch, page 3, 5 June 1953) [Übersetzung nur auf Anfrage]

HAGEN VIII : Ernst-Moritz Klönne und Dr. Walter Altenloh

Ein Kommentar zu „HAGEN VII : Heinrich Vetter, Siegfried Lademacher und die „Bewegung Reich“

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